Mein Name ist Bianca Goldschmidt, geborene Baumann. Ich wurde 1896 in Wittenberg geboren und heiratete 1919 den Kaufmann Friedrich Goldschmidt in Wurzen. Wir bekamen zwei Kinder: Liselotte (1920) und Manfred Wolfgang (1924). Wir lebten in Wurzen ein glückliches Familienleben. Mein Mann führte das Konfektionsgeschäft, das schon sein Vater gegründet hatte, und wir waren angesehen und geachtet. 1927 zogen wir in unser eigenes Haus in der Moltkestraße, die heutige Jacobsgasse. Wir unternahmen Ausflüge mit dem Auto, besuchten Freunde und lebten ein Leben, das uns selbstverständlich erschien. Doch Liselotte litt schon als Kind an einer Herzkrankheit, weshalb wir oft auf Kuren angewiesen waren. Wir führten ein gutes Leben in Wurzen, bis 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Unser Geschäft wurde boykottiert, wir wurden beschimpft und bedroht. Schließlich blieb uns nur die Flucht. Liselotte gelang die Emigration nach England, während Friedrich, Wolfgang und ich 1939 über Holland nach Frankreich flohen. Nach einer langen, entbehrungsreichen Odyssee kam das Ende in Drancy. Von dort deportierte man uns am 27. März 1944 mit dem 70. Transport nach Auschwitz. Drei Tage später, am 30. März, erreichten wir das Lager. Ich wusste, dass dies die letzte Station meines Lebens war. Friedrich und ich wurden sofort ermordet.
Unsere Kinder aber lebten weiter: Liselotte baute sich in England ein Leben auf, wurde Kinderpflegerin, heiratete und wanderte später nach Amerika aus. Wolfgang überstand die Hölle von Auschwitz und Buchenwald, kaum am Leben, aber voller Stärke. Er kehrte nach Frankreich zurück, gründete eine Familie und bewahrte die Erinnerung an uns.